"Manchmal sind Football-Entscheidungen unglaublich schwierig, und das ist einer dieser Fälle" - mit diesen Worten leiteten die Baltimore Ravens eine Mitteilung ein, die das Ende einer Franchise-Legende beim NFL-Team besiegelte. Ein Spieler, der die Ravens insgesamt 13 Jahre geprägt hat.
Die Rede ist von Justin Tucker, langjähriger Kicker der Ravens. Nun schaffen es Kicker eher selten, sich eine derartige Relevanz aufzubauen, dass im Falle ihrer Entlassung ausführlich darüber berichtet wird. Doch Tucker war nicht irgendein Kicker, sondern der vermutlich beste der vergangenen Dekade und einer der besten der NFL überhaupt.
Fünfmal wurde der 35-Jährige zum First-team All-Pro, also zum besten Spieler auf seiner Position, gewählt. Drei weitere Male reichte es immerhin zum Second-team All-Pro. Insgesamt siebenmal ging es für Tucker in den Pro Bowl, außerdem hält er einige Bestmarken.
In der Saison 2021 verwandelte er gegen die Detroit Lions ein Field Goal aus 66 Yards - bis heute NFL-Rekord. Gleich in neun Saisons verwandelte er 30 oder mehr Field Goals, kein anderer Kicker in der Geschichte erreichte so schnell die Marke von 300 Field Goals und 1.000 Punkten. Bei den Ravens erzielte er die meisten Punkte der Franchise-Geschichte.
"Justin hat viele bedeutende und unvergessliche Momente in der Geschichte der Ravens geschaffen. Seine Zuverlässigkeit, sein Fokus, seine Tatkraft, sein Durchhaltevermögen und sein außergewöhnliches Talent machten ihn über ein Jahrzehnt lang zu einem der besten Kicker der Liga", sagte General Manager Eric DeCosta. "Wir sind dankbar für die vielen Verdienste, die Justin während seiner Zeit bei den Ravens erworben hat."
Schwere Anschuldigungen gegen Tucker
Doch schon in der vergangenen Saison leistete sich Tucker einige Patzer, er verfehlte ungewohnt viele Field Goals, die er noch zuvor nahezu blind verwandelt hatte. Zu seiner Entlassung dürfte jedoch noch ein anderes Thema beigetragen haben. Denn der gebürtige Texaner sah sich mit schlimmen Anschuldigungen konfrontiert.
Insgesamt 16 Massage-Therapeutinnen werfen ihm sexuelle Belästigung vor, alle Fälle sollen sich zwischen 2012 und 2016 ereignet haben. Zwei Wellness-Center sollen ihm deshalb sogar Hausverbot erteilt haben. Tucker hat die Vorwürfe vehement bestritten und als "verzweifeltes Boulevard-Futter" bezeichnet.
Der Fall erinnert an Quarterback Deshaun Watson von den Cleveland Browns, der sich während seiner Zeit bei den Houston Texans ebenfalls massives Fehlverhalten gegenüber Masseurinnen geleistet hatte. Zwar wurde er juristisch nie belangt, die NFL sperrte ihn 2022 aber trotzdem für elf Spiele.
Tuckers Entlassung hatte sich bereits während des Drafts Ende April abgezeichnet. Die Ravens wählten in Runde sechs Kicker Tyler Loop aus, der nun die Nachfolge der Team-Legende antreten dürfte.